Berlin (DAV). Steuerüberschüsse auf der einen Seite – klamme Kommunen auf der anderen. Kein Wunder, dass sich diese neue Geldquellen erschließen müssen. So wollen einzelne Kommunen ihren Bürgern offenbar das private Blitzen von Verkehrssündern erlauben. Im Gegenzug sollen die freiwilligen Helfer einen Teil der anfallenden Bußgelder behalten dürfen. Erste Feldversuche sollen nach Informationen der Deutschen Anwaltauskunft in Kürze starten.
Deutschlands Autofahrer müssen sich auf deutlich mehr Geschwindigkeitskontrollen einstellen. Wie die Deutsche Anwaltauskunft aus Justizkreisen erfahren hat, planen verschiedene Kommunen eine grundsätzliche Reform der Verkehrsüberwachung: Künftig soll jeder Bürger Geschwindigkeitskontrollen durchführen können. Entsprechende Feldversuche sollen im Sommer im Saarland und in Sachsen-Anhalt beginnen.
Die Kommunen erhoffen sich von dieser Maßnahme deutlich höhere Einnahmen und eine Entlastung der eigenen Mitarbeiter und der Polizei. „Wir nutzen dabei auch das Wissen unserer Bürger. Schließlich kennt niemand besser die Gefahrenschwerpunkte als die Menschen, die dort leben“, sagt ein Mitarbeiter einer südsaarländischen Gemeinde, der namentlich nicht genannt werden möchte. Dies könne ein wichtiger Beitrag für die Verkehrssicherheit sein und die Finanzen verbessern.
Als Voraussetzung für den freiwilligen Blitzeinsatz ist eine zweitägige Schulung geplant, in der Verkehrsrecht und der Umgang mit der Überwachungstechnik gelehrt werden sollen. Für die Anschaffung der rund 20.000 Euro teuren Laserpistolen sollen die blitzenden Bürger selbst verantwortlich sein. Bei eifrigem Einsatz könnten sich diese Kosten aber schnell amortisieren: Je nach Kommune sollen die Freiwilligen zwischen 8 und 12 Prozent der Bußgelder, die sie eingetrieben haben, behalten dürfen. Spezielle Prämien sind für jeden überführten Temposünder vorgesehen, der seinen Führerschein verliert. „Je mehr der Bürger blitzt, desto höher sind seine Einnahmen – und unsere. Das ist ein fairer Deal“, sagt der Mitarbeiter der saarländischen Gemeinde.
Verkehrsrechtsexperten sehen die geplante Liberalisierung der Geschwindigkeitsmessungen kritisch. „Der Bürger-Blitzer ist ein weiterer Schritt hin zur vollständigen Überwachung des öffentlichen Raumes“, sagt Rechtsanwalt Swen Walentowski von der Deutschen Anwaltauskunft und äußert verfassungsrechtliche Bedenken: „Ich gehe davon aus, dass der Bürger-Blitzer früher oder später vor dem Bundesverfassungsgericht landet – mit ungewissem Ausgang“, so Walentowski. Wenn es schon Fehler bei polizeilichen Messverfahren gäbe, sei dies bei Bürger-Blitzern ganz sicher auch der Fall. „Wir Anwälte werden sicherlich auch davon profitieren“, ergänzt Walentowski.