Berlin (DAV). Anwälte, die Hartz-IV-Empfänger vor Gericht vertreten, müssen immer häufiger auf ihr Honorar verzichten. Der Grund: Gewinnt der Arbeitslose einen Prozess gegen das Jobcenter, muss dieses ihm zwar die Kosten erstatten. Hat der Arbeitslose jedoch Schulden beim Jobcenter, verrechnen die Jobcenter häufig die beiden Summen. Der Anwalt geht dann leer aus. Das ist nicht rechtmäßig und kann für Arbeitslose langfristig verheerende Folgen haben. Darüber informiert die Deutsche Anwaltauskunft.
„Die Schulden eines Mandanten einerseits und das Honorar seines Anwalts andererseits sind Forderungen von zwei Parteien, die nichts miteinander zu tun haben“, sagt Rechtsanwalt Martin Schafhausen von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Sie dürfen nicht miteinander verrechnet werden.“
Dennoch wurden die Jobcenter explizit angewiesen zu prüfen, ob ein Hartz-IV-Empfänger Schulden hat, bevor Anwaltshonorare ausgezahlt werden. Gewinnt der Mandant und hat er weder Prozesskostenhilfe (PKH) noch Beratungshilfe erhalten, muss das Jobcenter ihn von den Kosten des Rechtsanwalts freistellen. Der Arbeitslose ist dann nicht mehr derjenige, der dem Anwalt das Honorar schuldet, sondern das Jobcenter. „Dass dieses Honorar dann nicht mit Schulden des Hartz-IV-Empfängers verrechnet werden darf, liegt auf der Hand“, kritisiert Rechtsanwalt Schafhausen. Das hat auch ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 (AZ: L 6 AS 288/13) bestätigt.
Wenn der Leistungsempfänger Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe bekommt, muss der Rechtsanwalt die Kosten nach einem erfolgreichen Prozess im eigenen Namen geltend machen. In den gesetzlichen Regelungen ist dies eindeutig als Forderung des Anwalts gegenüber dem Jobcenter festgelegt. Das heißt, dass auch dann das Jobcenter dem Rechtsanwalt sein Honorar zahlen muss.
Martin Schafhausen geht nicht davon aus, dass die Jobcenter in der nächsten Zeit ihr Verhalten anpassen. „Damit sich wirklich etwas ändert, müsste die Bundesagentur für Arbeit ihre Weisung zur Aufrechnung ändern. Im schlimmsten Fall ist eine Gesetzesänderung notwendig“, erklärt der Anwalt aus Frankfurt.
Für die Anwälte hat das Verhalten der Jobcenter sehr negative Folgen. Wer als Anwalt einen Empfänger von Hartz IV vor Gericht vertritt, muss teilweise davon ausgehen, dass er kein Honorar erhält. Das wirkt sich langfristig auch für Hartz-IV-Empfänger negativ aus. Wer gegen das Jobcenter vor Gericht ziehen und dafür PKH beantragen will, wird es immer schwerer haben, einen Anwalt zu finden, der ihn vertritt. Es sinkt also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jobcenter zum Beispiel für unrechtmäßige Kürzungen von Leistungen zur Rechenschaft gezogen wird.
Zwar lassen nicht alle Jobcenter Anwälte bei der Vertretung von Arbeitslosen im Regen stehen – ein Großteil zahlt die Honorare aus. Dennoch: Auch wenn es nur einen Teil der Fälle betrifft, ist das Vorgehen unrechtmäßig. Insbesondere nach dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz muss es dringend eingestellt werden, fordert der DAV. „Es ist Zeit, dass die Jobcenter sich den Anwälten gegenüber fair verhalten“, sagt Sozialrechtsanwalt Schafhausen. „Ich appelliere an die Jobcenter, jedem Anwalt, der einen Hartz-IV-Empfänger vertritt, sein Honorar direkt auszuzahlen – und es nicht mit Schulden zu verrechnen, für die der Anwalt nicht verantwortlich ist.“
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