Brandenburg/Berlin (DAV) – In begründeten Einzelfällen ist in einem Arzthaftungsprozess kein gerichtliches Sachverständigengutachten erforderlich. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg am 1. Oktober 2024 entschieden (AZ: 12 U 30/24), teilt das Rechtsportal anwaltauskunft.de mit. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Fehlerhaftigkeit für das Gericht offensichtlich sei, etwa bei einer zahnärztlichen Notreparatur, die die Bisshöhe oder den Biss offensichtlich nicht verändern könne.
Der Kläger hatte die beklagte Zahnärztin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden verklagt. Er hatte sich im November 2020 als Notfallpatient mit einer zwei Jahre alten, gebrochenen provisorischen Unterkieferprothese vorgestellt. Die Beklagte reparierte die Prothese und setzte sie wieder ein.
Nach der Behandlung klagte der Patient über eine zu niedrige Bisshöhe sowie über Schmerzen aufgrund einer Klammer an einem Zahn, die seiner Ansicht nach fehlerhaft eingesetzt worden war. Außerdem rügte er eine unzureichende Aufklärung über die Behandlung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine konkreten Behandlungsfehler darlegen können. Zudem sei eine Veränderung der Bisshöhe durch eine bloße Nachbesserung nicht plausibel.
Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung zurück. Es betonte, dass ein Gericht zur Beurteilung medizinischer Sachfragen grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einholen müsse. Im vorliegenden Fall sei jedoch eine Ausnahme gerechtfertigt, da die Fehlerhaftigkeit der Behandlung offensichtlich gewesen sei. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Zahnärztin im Rahmen der Notfallbehandlung lediglich eine Reparatur der vorhandenen Prothese vorgenommen habe. Eine Veränderung der Bisshöhe oder der Okklusion sei nicht erfolgt. Auch die Entzündung am Zahn 37 stelle nicht zwingend einen Behandlungsfehler dar.
Es sei Sache des Patienten, dem Zahnarzt zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, bevor Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Da der Kläger dies unterlassen habe, sei die Klage zu Recht abgewiesen worden.
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