Berlin (DAV). Sie müssen sich mit Schildern an die Straße stellen, Särge in der Wohnung platzieren oder sich von ihren Opfern bestehlen lassen – unkonventionelle Strafen, wie sie in den USA teilweise verhängt werden, sind in Deutschland nicht erlaubt. Die Richter haben hierzulande aber auch einen gewissen Freiraum, wenn es um das Strafmaß geht – zum Beispiel über die Auflagen und Weisungen bei Bewährungsstrafen. Darüber informiert die Deutsche Anwaltauskunft.
Welches Vergehen wie bestraft wird, regelt in Deutschland das Strafgesetzbuch. Sogenannte Prangerstrafen sind darin nicht vorgesehen. Es kann also kein Richter jemanden zwingen, sich mit einem Schild, auf dem er sich als Straftäter outet, an eine Straße zu stellen. Schreibt das Strafrecht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren vor, kann diese auf Bewährung ausgesetzt werden. Und hier eröffnen sich für Richter Möglichkeiten, den Straftäter mit unkonventionellen Tätigkeiten zur Einsicht zu bewegen.
„Entscheidet sich der Richter, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen, kann er den Bewährungsbeschluss mit Auflagen und Weisungen spicken“, erklärt Michaela Landgraf, Anwältin für Strafrecht und Vorstandsmitglied des Münchner Anwaltvereins. „Hier ist Raum für kreative Maßnahmen, die thematisch mit der Straftat in Verbindung stehen.“
Dem Strafgesetzbuch zufolge kann das Gericht „dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen.“ Demnach kann ein Richter dem Verurteilten zum Beispiel auferlegen, an eine soziale Einrichtung zu spenden. Weisungen hingegen sollen den Verurteilten davon abhalten, wieder straffällig zu werden. Eine Weisung kann beispielsweise darin bestehen, sich regelmäßig bei Gericht oder der Polizei zu melden.
Ob eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird und wie lange die Strafe ist, entscheidet also der Richter. Gleiches gilt für Auflagen und Weisungen, die mit einer Bewährungsstrafe einhergehen. Anders als in den USA zum Teil möglich können Straftäter in Deutschland nicht zwischen dem kreativen Vorschlag des Gerichts zur Wiedergutmachung des Unrechts und der eigentlich vorgesehene Haftstrafe wählen oder gar zur Annahme der Kreativlösung gezwungen werden.
Verurteilte Straftäter, die ihre Tat nachträglich bereuen, haben in Deutschland jedoch die Möglichkeit, über die Teilnahme an einem Täter-Opfer-Ausgleich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, eine Strafmilderung bei Gericht zu erreichen. In seltenen Fällen kommt es auch vor, dass gänzlich von Strafe abgesehen werden kann.
Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist auch noch zwischen erster und zweiter Instanz möglich, wenn also bereits eine Verurteilung erfolgt ist und dagegen Berufung eingelegt wurde. Dabei vermittelt ein neutraler Schlichter zwischen Tätern und Opfern. Ziel ist, dass beide Seiten einen Ausgleich erreichen.
Rechtsanwältin Landgraf weist darauf hin: „Die Täter haben so die Möglichkeit zu zeigen, dass sie das Unrecht ihrer Tat eingesehen haben. Wichtig ist jedoch: Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist nur möglich, wenn auch das Opfer dazu bereit ist, und setzt auf Seiten des Täters ein Geständnis voraus.“
Zwischen einer Haftstrafe und einem Täter-Opfer-Ausgleich zu wählen ist ebenfalls nicht möglich. Wie Michaela Landgraf erklärt, kommt es aber vor, dass zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilende Richter dem uneinsichtigen Täter im Verfahren andeuten, bei der Teilnahme an einem solchen Programm wäre im Berufungsverfahren eine Bewährungsstrafe möglich. „Der Grund ist die Sozialprognose, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Täter wieder straffällig wird. Sie muss positiv sein, damit eine Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann“, erklärt die Expertin aus München.
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