München/Berlin (DAV) – Ein Kind hat auch dann keinen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst, wenn es den Aufenthaltsort seiner Eltern zwar tatsächlich nicht kennt, aber keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hat, diesen zu ermitteln. Das geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts (SG) München vom 01. August 2024 hervor (AZ: S 22 KG 5/22). Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine rein subjektive Unkenntnis nicht ausreicht, sondern eine zumutbare Ermittlungspflicht besteht, erklärt das Rechtsportal anwaltauskunft.de.
Der 1997 geborene Kläger war 2015 allein aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Bei einer Anhörung im Jahr 2016 konnte er noch eine Adresse seiner Mutter in Afghanistan benennen. Später, im Jahr 2017, gab er gegenüber der Ausländerbehörde an, zuletzt vor einem halben Jahr mit seiner in Afghanistan lebenden Schwester gesprochen zu haben. Diese habe ihm vom gewaltsamen Tod der Mutter berichtet und gleichzeitig den Kontakt zu ihm abgebrochen.
Am 21.10.2021 beantragte der Kläger für sich selbst Kindergeld für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis zum 08.09.2022, in dem er eine Ausbildung zum Arzthelfer absolvierte. Die Familienkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass er Vollwaise sei oder den Aufenthalt seiner Mutter trotz zumutbarer Nachforschungen nicht habe ermitteln können. Auch sein Widerspruch blieb erfolglos.
Vor Gericht machte der Kläger geltend, dass es ihm aufgrund der katastrophalen Lage in Afghanistan unmöglich gewesen sei, weitere Nachforschungen anzustellen. Die Information über den Tod seiner Mutter habe er aus einem Telefonat mit einem Bekannten oder Verwandten erhalten. Amtliche Sterbeurkunden gebe es in Afghanistan nicht.
Das SG München hat die Klage abgewiesen.
Kindergeld für sich selbst erhält, wer Vollwaise ist oder den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht kennt. Der Tod des Vaters sei unstreitig. Den Tod der Mutter habe der Kläger jedoch nicht nachweisen können. Seine Angaben seien unkonkret, insbesondere fehlten Angaben zum Datum, zur Telefonnummer oder zur Identität des Anrufers. Mangels überprüfbarer Nachweise sei es dem Gericht nicht möglich, die behauptete Vollwaiseneigenschaft festzustellen.
Zudem habe sich der Beschwerdeführer nicht ausreichend bemüht, den Aufenthaltsort seiner Mutter ausfindig zu machen. Bloße Unkenntnis reiche nicht aus, der Beschwerdeführer müsse zumutbare Nachforschungen anstellen. Da der Kläger im Jahr 2016 noch eine Adresse habe angeben können, hätte er sich über verbliebene Familienangehörige, das afghanische Konsulat, die deutsche Botschaft oder private Suchdienste um eine Bestätigung des Todes oder den aktuellen Aufenthaltsort seiner Mutter bemühen müssen. Da er dies unterlassen habe, sei ihm eine der Kenntnis gleichstehende "böswillige Unkenntnis" anzulasten.
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