Goslar/Berlin (DAV). Fahrungeeignete Personen stellen im Straßenverkehr ein erhebliches Risiko dar. Nicht nur für Dritte, sondern auch für sich selbst. Anders als im (europäischen) Ausland gibt es in Deutschland für den Autoführerschein (Fahrerlaubnisklasse B) keine gesetzliche Regelung zur Teilnahme älterer Verkehrsteilnehmer. Im Ausland gibt es hier die Pflicht zu regelmäßigen Untersuchungen. Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) kann daher die Frage einer Meldepflicht nicht ohne gesetzliche Regelung auf die Ärztinnen und Ärzte abgewälzt werden. Auch soll die Durchbrechung der Verschwiegenheit in Einzelfällen möglich sein.
„Bisher findet eine Meldepflicht von Ärztinnen und Ärzten eine Rechtfertigung im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Allgemeinheit vor fahrungeeigneten Personen und dem Geheimhaltungsinteresse von Patientinnen und Patienten sowie dem Interesse der Allgemeinheit an der Verschwiegenheit der Ärzteschaft“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Matthias Köck von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Die Mitteilungspflicht dürfe daher nicht auf dem Rücken der Ärzte ohne gesetzliche Regelung ausgetragen werden. „Sie muss auch zum Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses auf Einzelfälle bei Vorliegen einer konkreten Gefahr beschränkt werden“, betont der Rechtsanwalt aus Nürnberg. Dies könne bereits darin zu sehen sein, dass der Patient trotz ihm mitgeteilter und dokumentierter medizinischer Fahrungeeignetheit weiterhin Auto fährt.
Problematik:
Angehörige ärztlicher Heilberufe sind nach § 203 StGB zur umfassenden Verschwiegenheit verpflichtet. Die Verschwiegenheit umfasst alle Erkenntnisse die sich aus der ärztlichen Behandlung ergeben und die der Arzt im Zusammenhang mit der Behandlung in Erfahrung gebracht hat. Offenbart der Arzt diese Geheimnisse unbefugt, macht er sich strafbar. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn der Patient in die Offenbarung einwilligt, was gerade bei fahrungeeigneten Personen in den seltensten Fällen der Fall sein wird. Fehlt die Einwilligung, bedarf es einer Rechtfertigung für die Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde, dass ein Patient fahrungeeignet ist. Eine hierfür erforderliche gesetzliche Regelung existiert in Deutschland bis heute jedoch nicht. Somit bleibt als Rechtfertigung einzig eine Güter- und Interessenabwägung (Interesse der Allgemeinheit am Ausschluss fahrungeeigneter Personen vs. Geheimhaltungsinteresse des Patienten sowie das Interesse der Allgemeinheit an der Verschwiegenheit der Ärzte).
Hierin liegt nun das Problem, dass dem Arzt die Interessenabwägung aufgebürdet wird. Wenn man sich die Fahrerlaubnisverordnung ansieht, bedarf es für die Einschätzung einer Fahrungeeignetheit durchaus spezieller Kenntnisse, die nicht bei jedem Mediziner vorliegen. Auch ist im Falle einer zulässigen Meldung der Inhalt auf das Notwendigste beschränkt, ohne dass der Umfang aber gesetzlich normiert wäre. Es besteht also immer die Gefahr des Arztes, dass er sich im Falle einer „überschießenden“ Meldung strafbar machen kann.
Des Weiteren kann selbst im Falle der zulässigen Meldung das Arzt-Patienten-Verhältnis beeinträchtigt werden. Es ist daher eine gesetzliche Regelung zu schaffen, wann Ärzte zur Meldung in welchem Umfang verpflichtet sind. Denn dadurch können sich Ärzte auf die gesetzliche Regelung berufen, der Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Patienten verringert sich.
Es ist hierbei nicht zu verkennen, dass Patienten Arztbesuche scheuen könnten, wenn sie befürchten müssen, dass eine Meldung ihrer Fahrungeeignetheit an die Fahrerlaubnisbehörde erfolgt. Daher ist ausschließlich bei Vorliegen einer konkreten Gefahr, dass ein Patient trotz ihm mitgeteilter Fahrungeeignetheit weiterhin am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen teilnimmt, eine Meldepflicht zu bejahen. Letztlich ist es die Fahrerlaubnisbehörde, die die Geeignetheit oder Ungeeignetheit (in aller Regel durch weitergehende ärztliche Feststellungen, vgl. § 11 FeV) feststellen wird.
In einem ersten Schritt befürwortet der DAV die Einführung einer gesetzlichen Grundlage, aufgrund derer Ärzte fahrungeeignete Patienten der Fahrerlaubnisbehörde melden müssen, wobei in der gesetzlichen Regelung eine konkrete Gefahr für die weitergehende Teilnahme am Straßenverkehr zu verankern ist.