Goslar/Berlin (DAV). Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutieren die Experten darüber, ob es noch zeitgemäß ist, dass die Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes betragen dürfen. Die zweite Frage ist, inwieweit der Versicherer befugt ist, die Berechtigung der Reparaturkosten zu überprüfen. Nach der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) darf nicht übersehen werden, dass es sich hier um die Rechte eines Geschädigten eines Unfalles handelt. Dieser hat ein Interesse, sein Fahrzeug reparieren zu lassen, auch wenn die Kosten 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes betragen. Auch das Werkstattrisiko soll nicht der Geschädigte tragen, sondern der gegnerische Kfz-Versicherer, der selbst nicht schutzlos gestellt wird.
„Unfallopfer müssen die Möglichkeit haben, ihr eigenes Fahrzeug reparieren zu lassen, auch wenn es den Wiederbeschaffungswert übersteigt. Es darf nicht übersehen werden: Ein Gebrauchtwagenkauf ist immer auch ein Risikokauf!“, erläutert Rechtsanwalt Christian Janeczek von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV. Der Geschädigte kenne sein Fahrzeug und habe oft ein Interesse daran, dieses weiter zu nutzen. Bei einem Ersatzkauf drohe immer auch das Risiko, betrogen zu werden, ein mangelhaftes Fahrzeug zu erwerben, wenn man bei der momentanen Gebrauchtwagenlage überhaupt ein identisches Fahrzeug fände. Auch solle vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit nicht übersehen werden, dass reparieren immer noch umweltfreundlicher ist als wegschmeißen und neu kaufen.
Werkstattrisiko nicht zu Lasten des Geschädigten
In der Regel beauftragt der Geschädigte einen Gutachter und lässt dann sein Fahrzeug in einer Werkstatt auf dieser Gutachtenbasis reparieren. Beim Unfall ist es dann also Sache des Schädigers, dem Geschädigten gegenüber Schadensersatz zu leisten, auch in Höhe der Werkstattrechnung. „Dies betrifft auch das sogenannte Werkstattrisiko. Wenn darüber gestritten wird, ob der Reparaturschritt objektiv erforderlich war und in welchem Umfang abgerechnet werden darf, darf dies nicht zu Lasten des unschuldigen Verkehrsteilnehmers, des Geschädigten, gehen“, betont der Rechtsanwalt aus Dresden weiter. Das Werkstattrisiko müsse beim Versicherer bleiben. In der Regel sei der Geschädigte auch für eine gegebenenfalls überhöhte Rechnung nicht verantwortlich. „Ohne das Verhalten des Schädigers hätte es den Unfall nicht gegeben und der Geschädigte müsste auch kein Risiko tragen“, erläutert Janeczek weiter. Die Kfz-Versicherungen würden auch nicht schutzlos gestellt. Diese habe im Gegenzug einen Anspruch auf Abtretung von möglichen Regressansprüchen des Geschädigten gegenüber der Werkstatt. Diesen können sie dann selbständig gegenüber der Werkstatt durchsetzen. „Ausgeschlossen muss sein, dass derjenige, der für den Unfall nichts kann, hier in Bredouille kommt“, so Janeczek. So werde der schutzbedürftige Geschädigte tatsächlich geschützt und der Streit zwischen den Parteien geführt, die sich tatsächlich auch streiten, nämlich Werkstatt und Versicherer.