Goslar/Berlin (DAV). Kernthema der Diskussion beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag ist die Frage, ob eine Halterhaftung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in unser Rechtssystem eingeführt werden soll. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) meldet massive verfassungsrechtliche Bedenken an und lehnt die Einführung einer Halterhaftung in der Bundesrepublik Deutschland vehement ab. Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken halten die DAV-Verkehrsrechtsanwälte die diskutierte Maßnahme im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit sogar für kontraproduktiv. Nämlich dann, wenn im Ergebnis nicht mehr derjenige, der einen Verkehrsverkehrsverstoß begeht, sondern der Halter für eine Tat sanktioniert wird, die er nicht begangen hat.
„Aus guten Gründen gilt seit dem römischen Recht der Grundsatz des Schuldprinzips,“ so Rechtsanwalt Thomas Noack von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Im Strafrecht werde niemand in Frage stellen, dass derjenige bestraft werden solle, der eine Tat begangen hat. Dieses Schuldprinzip als elementarer Bestandteil dürfe deswegen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht relativiert bzw. sogar ausgehebelt werden. „Es muss sichergestellt werden, dass niemand zu Unrecht für eine Tat bestraft werden kann, die ein Dritter begangen hat“, so Noack weiter. Dies sei ein rechtstaatlicher Grundsatz. Einem Fahrzeughalter könne allein aufgrund seiner Haltereigenschaft kein persönliches Fehlverhalten vorgeworfen werden. Insofern liege der Verdacht nahe, dass es gar nicht darum gehe, die Verkehrssicherheit über die Halterhaftung zu erhöhen, sondern darum den Ermittlungs- und Bearbeitungsaufwand auf Seiten der Behörden zu reduzieren und neue Einnahmequellen zu generieren.
Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV dienen der Verkehrssicherheit andere bisher vernachlässigte Instrumente deutlich mehr. Dies sind insbesondere Punkte, wie die Kontrolldichte, die technische Ausstattung der Polizei und insbesondere eine damit verbundene konsequente Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Dies würden kriminologische Studien belegen. „Sogenannte Blitzermarathons beweisen, dass gerade an Tagen mit hoher Kontrolldichte die Zahlen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten prozentual sinken“, so der Rechtsanwalt aus Berlin.
Können aber die Halter für Ordnungswidrigkeiten anderer in Anspruch genommen werden, besteht überhaupt keine Veranlassung mehr, den tatsächlichen Fahrer überhaupt zu ermitteln. Eine pädagogische Wirkung, die Verkehrsvorschriften einzuhalten, gäbe es dann nicht. Es ist und bleibt aber die Aufgabe der Polizei und Ordnungsbehörden, die Einhaltung der Verkehrsvorschriften durchzusetzen und im Sinne der Prävention Verstöße zu verfolgen.
Die gegenwärtigen Sanktionsmöglichkeiten, insbesondere auch die, dass dem Halter die Kosten des Verfahrens (bei Parkverstößen) oder die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden können, sind nach Auffassung der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht vollkommen ausreichend, den Halter zur Mitwirkung bei der Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten zu motivieren. Eine darüberhinausgehende Halterhaftung ist nicht notwendig.